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Die sozialen und ökologischen Folgen der Externalisierungsgesellschaft am Beispiel des Staudammbruchs in Brumadinho 2019. Ein Essay von Anna Reinsch.


Wir leben inmitten einer wachsenden SUV-Manie: Mehr Platz, kraftvoller Fahrspaß, bessere Übersichtlichkeit im Verkehr und eine erhöhte Sicherheit machen den SUV zu einem wahren Allrounder. Die Stadtpanzer, die zugleich Statussymbol sind, sind inzwischen aus dem Straßenverkehr nicht mehr wegzudenken. Ist der für die Stadt geeignete Offroad-Wagen dann auch noch elektrisch betrieben, ist das „nachhaltige“ Glück in Zeiten der Klimakrise vollkommen. Gefördert wird dieser Hype durch zum Teil staatliche Förderungen und Prämien auf Elektroautos und so wird der umweltsündige Verbrenner schnell durch einen „sauberen“ Hybrid oder einen vollelektrischen Wagen ersetzt. Denn schließlich halten wir viel auf unser umweltpolitisches Engagement.
Mit der Elektromobilität wird im „grünen Kapitalismus“ (Kaufmann & Müller 2009: 157) eine Schonung oder gar Unabhängigkeit von Ressourcen suggeriert – schließlich wird kein Diesel oder Benzin benötigt. Verkannt wird dabei, dass auch für den Bau von Elektroautos zahlreiche Ressourcen benötigt werden. Stahl ist nach wie vor das am meisten verwendete Material im Autobau und Eisenerz dessen wichtigster Rohstoff. Brasilien ist einer der größten Eisenerzförderer weltweit, etwa die Hälfte des deutschen Eisenerzbedarfs wird von Brasilien gedeckt (Russau 2016: 123). Vor allem die Autoindustrie ist auf den Import von Eisenerz für die Stahlherstellung angewiesen. Bleiben geplante Lieferungen aufgrund eines Staudammbruchs einer Eisenerzmine aus, kann es zu Problemen in der Produktion kommen. 2019 brach ein solcher Staudamm eines Rückhaltebeckens mit toxischem Schlamm einer Eisenerzmine im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais – und dies war nicht der erste Fall (Russau 2016: 124). Die Folgen der Katastrophe sind bis heute verheerend.

Dass dieser Staudammbruch ein Abbild der global herrschenden Ungleichheitsverhältnisse ist, ist traurige Realität. Der Fall steht für die systematisch ungleiche Verteilung von Chancen und Risiken gesellschaftlicher Entwicklungen, deren Gewinner und Verlierer immer dieselben sind. Eine Erklärung, warum der Staudammbruch in Brumadinho exemplarisch für die Auslagerung der sozialen und ökologischen Kosten des Wohlstands der Externalisierungsgesellschaft des globalen Nordens steht, soll vorliegender Essay liefern. 

Bergbau im Süden von Minas Gerais, Bild: Anna Reinsch

Externalisierungsgesellschaft und imperiale Lebensweise

Unter Externalisierung wird eine Strukturdynamik der Ausbeutung von Arbeit und Natur und der Auslagerung von sozialen und ökologischen Kosten verstanden (Lessenich 2018: 25). Externalisieren bedeutet dabei das Verlagern aus dem Inneren nach außen, das Auslagern negativer Effekte kapitalistischen Wirtschaftens hochindustrialisierter Gesellschaften auf Länder und Menschen in weniger entwickelte, meist im globalen Süden gelegene Weltregionen (Lessenich 2016: 24). Gleichzeitig liefert das „Außen“ billige Arbeitskraft und die stofflichen Voraussetzungen der kapitalistischen Verwertung, beispielsweise Rohstoffe wie Eisenerz.

Dabei werden nicht nur fremde Ressourcen in diesen Regionen ausgebeutet, sondern auch Kosten auf Außenstehende abgewälzt, Gewinne im Inneren angeeignet und der eigene Aufstieg befördert, während gleichzeitig der Fortschritt anderer verhindert wird (Lessenich 2016: 25). Getragen wird diese Logik des kapitalistischen Weltsystems von ganz realen sozialen Akteuren. Die in der großen Externalisierungsgesellschaft des globalen Norden Lebenden, leben auf Kosten und zu Lasten anderer. Sie leben über den Verhältnissen anderer, indem sie andere Lebenswelten zerstören, um die eigenen Lebenschancen zu sichern (Lessenich 2018: 23). Bedeutend dabei ist der funktionale Zusammenhang der globalen Ungleichheitsstruktur: Weil es den einen schlecht oder weniger gut geht, geht es den anderen gut oder besser (Lessenich 2016: 23).

Dabei ist die Form dieser gesellschaftlichen Entwicklung keineswegs neu und darf nicht als zeitliche Dimension betrachtet werden. Dass in Externalisierungsgesellschaften oder in der „großen Externalisierungsgesellschaft des Globalen Nordens“ (Lessenich 2016: 25) gelebt wird, ist nicht erst mit dem Auto-Boom der Fall. Bereits Galeano merkte 1973 (48) an, „dass [sich] einige Länder […] im Gewinnen und andere im Verlieren spezialisieren“. Es ist vielmehr eine bestimmte Struktur, die kapitalistische Gesellschaften seit Anfang an als Externalisierungsgesellschaften beschreibt. Zwar können sich Mechanismen oder globale Konstellationen ändern, doch die Struktur der Externalisierungsgesellschaft beruht seit jeher auf den Kosten anderer (Lessenich 2016: 26).

Neben der Reichtumsproduktion und dem Wohlstandsgenuss zu Lasten anderen und der Auslagerung dieser Kosten und Lasten des Fortschritts in anderen Ländern, ist noch ein weiterer Aspekt der Externalisierungsgesellschaft bedeutend. Es geht um die ideologische Verschleierung des Wissens um diese Doppelgeschichte, wodurch die globale Ungleichheitskonstellation unsichtbar bleibt (Lessenich 2016: 17). Wird von dem Wohlstand der einen gesprochen, werden im (kollektiven) Bewusstsein die Nöte der Menschen andernorts verdrängt, die mit diesem in funktionalem Zusammenhang stehen. Das Vergessen über diese globale Ungleichheitskonstellation geschieht dabei nicht aus einem Versehen, sondern ist Resultat eines perfiden vergessen Wollens (Lessenich 2016: 24).

Während die Theorie der Externalisierung vor allem die strukturellen Dynamiken offenlegen kann, bleiben dabei aber zum Beispiel ganz konkrete, individuelle Handlungen unterbeleuchtet. Hier kann die Theorie um das Konzept der „imperialen Lebensweise“ von Brand und Wissen (2017) ergänzt werden.

Auch der Begriff der imperialen Lebensweise zielt darauf ab, globale Ungleichheiten zu analysieren, die nicht nur aus ungleichen politischen und ökonomischen Verhältnissen resultieren, sondern auch aus der dominierenden Lebensweise hochindustrialisierter Staaten (Brand & Wissen 2017: 14). „Imperial“ meint dabei nicht die Herrschaft über eine bestimmte Gruppe, sondern „den Zugriff des Kapitalismus auf sein Äußeres“ (Brand & Wissen 2017: 43). Diese Lebensweise beruht auf dem Zunutzemachen von Natur und Arbeitskraft weltweit und der Externalisierung der dabei anfallenden sozialen und ökologischen Kosten (Wissen & Brand 2018: 46). Der Begriff verweist auf die Produktions-, Distributions- und Konsumnormen, die in den Alltagsstrukturen der Bevölkerung des globalen Nordens eingelassen sind. Wie auch bei der Externalisierungsgesellschaft betont wird, geht es auch bei der imperialen Lebensweise um das Ausblenden der der Normalität zugrundeliegenden Zerstörung (Wissen & Brandt 2018: 51).

Landschaft um Brumadinho, Bild: Anna Reinsch

Der Staudammbruch in Brumadinho

Wie die sozialen und ökologischen Kosten unseres Wohlstands ausgelagert werden und welchen Preis andere Menschen dafür zahlen, zeigt sich am Staudammbruch von Brumadinho. Dort brach am 25. Januar 2019 der Staudamm einer Eisenerzmine des Minenbetreibers Vale, in dessen Folge eine riesige und giftige Schlammlawine Menschen, Tiere und Häuser unter sich begrub. Die Katastrophe forderte 272 Menschenleben, verseuchte ganze Ökosysteme und schnitt tausende Menschen von der Trinkwasserversorgung ab. Trotz des Versagens des Warnsystems, waren erste Anzeichen einer nahenden Katastrophe zu erkennen – und wurden ignoriert. Der in München ansässige und weltweit tätige Überwachungs- und Prüfkonzern TÜV Süd, eine deutsche Vorzeigemarke und Garant von Sicherheit und Zuverlässigkeit, zertifizierte den Staudamm wenige Monate zuvor, trotz der Kenntnisse über Mängel am Damm, als standfest (Deutschlandfunk Kultur 2021). Ein juristisches Urteil über Schadensersatzforderungen gegen TÜV Süd steht noch aus. Bis heute sind die Folgen des Dammbruchs immens. Die psychische Belastung der Überlebenden ist enorm, die Selbstmordrate hoch und die Zukunft scheint aussichtslos. Nach wie vor sind die Menschen in der Region aufgrund der Trinkwasserverseuchung auf Wasserlieferungen angewiesen, die Flüsse sind ohne Leben und Ökosysteme irreparabel zerstört.

Obwohl über 200 der 790 Staudämme in Minas Gerais als gefährdet gelten und damit zu jeder Zeit Ursache einer erneuten Katastrophe werden könnten, wird an der gängigen Abbaupraxis in der Region nicht viel geändert. Im Gegenteil, weil immer mehr Ökonomien auf das „Außen“ zugreifen, wird die Ausbeute der Minen erhöht und die Rückhaltekapazitäten der Staubecken durch „Optimierungsarbeiten“ erweitert (Russau 2016: 126). Aufgrund des Bedarfs der imperialen Lebensweise der kapitalistischen Gesellschaften des Nordens werden sich Eisenerzvorkommen in Minas Gerais zu Nutze gemacht, um den enormen Ressourcenbedarf zu decken. Die ökologischen Kosten dafür trägt die Natur nicht nur im Falle der Katastrophe eines Dammbruchs, sondern alltäglich mit der Zerstörung der Ökosysteme durch den Abbau des Eisenerzes und der Ablagerung des toxischen Schlamms. Wie sehr die Natur durch diesen täglichen Raubbau leidet, ist in der Region überall zu sehen:

Die Minen wirken wie klaffende Wunden der Natur, die keine Aussicht auf Heilung haben. Diese Wunden werden mit der unstillbaren Gier nach Rohstoffen der industrialisierten Staaten des globalen Nordens tagtäglich größer und tiefer. Der rote Staub, der sich an allem menschlich-materiellem festklammert, erinnert an Blut – das Blut aus den Wunden der Natur.“ (Vignette vom 19.09.2022, Anna Reinsch)

Auch die Arbeitskraft vor Ort wird für den Rohstoffabbau vor Ort genutzt und gerade dadurch ausgebeutet. Trotz der teilweise geringen Bezahlung hängen für die Menschen vor Ort ihre Existenzen an den Minen, da es kaum alternative Beschäftigungsmöglichkeiten gibt. Der Staudammbruch von Brumadinho verdeutlicht die Sicherung von Lebenschancen der einen bei gleichzeitiger Zerstörung der Lebenswelt anderer. Dabei wurde den Menschen vor Ort mit dem Dammbruch nicht nur die physische Grundlage des Lebens vor Ort genommen, sondern auch Zukunftsperspektiven. Dieses Zunichtemachen der sozialen Lebensgrundlagen wird in unmittelbarer Nachbarschaft zum gebrochenen Staudamm ersichtlich:

Wir sind in dem kleinen Ort Córrego do Feijão, ein Ort ohne Leben, es ist still. Die Mitte des Dorfes wird von einem modern angelegten Park geprägt, der fehl am Platz wirkt. Man spürt, dass dies einst ein anderer Ort war. Die Häuser sind unbewohnt und stehen leer, die Bewohner_innen bei der Katastrophe gestorben oder aufgrund der zermürbenden Aussichtslosigkeit weggezogen. Hier wird mir ganz deutlich vor Augen geführt, wer für meinen Wohlstand leiden muss.“ (Vignette vom 19.09.2022, Anna Reinsch)

Brumadinho zeigt, wie soziale und ökologische Schäden einfach ausgelagert werden. Was wir an Leid und Elend mit unserem Wohlstand produzieren, das lassen wir woanders von Menschen und der Natur bewältigen – eben „irgendwo in Brasilien“. Doch davon merken wir nichts, wenn wir das nächste Mal in unserem SUV abbiegen.

Und doch steht der Staudammbruch von Brumadinho nur exemplarisch für viel Ausbeutung, Leid und Zerstörung weltweit, jeden Tag. Alltäglich produzieren und konsumieren wir, ohne bewusst wahrzunehmen, was oder wer dies ermöglicht.

Doch was tun gegen diese Missstände? Ein viel diskutierter Aspekt auf diese Frage ist das geplante EU-Lieferkettengesetz. Dies soll Unternehmen dazu bringen, die Produktionsbedingungen ihrer weltweiten Lieferketten verstärkt in den Blick zu nehmen und damit verhindern, dass gegen Menschenrechte oder Umweltstandards verstoßen wird. Vorgesehen ist, dass Opfer von Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden Schadenersatzforderungen vor europäischen Gerichten geltend machen können (Europäische Kommission 2022). Doch bereits jetzt hat die Bundesregierung angekündigt das Gesetz deutlich abzuschwächen und die zivilrechtliche Haftung für Unternehmen durch eine „Safe-Harbour-Klausel“ zu reduzieren, zum Beispiel für Unternehmen wie TÜV Süd. 

Fazit

Zusammengenommen zeigt sich, dass wir erstens in einer großen Externalisierungsgesellschaft des Globalen Nordens leben, die soziale, politische und ökologische Schäden ihres Wohlstands auf Regionen des Globalen Südens auslagert. Wir leben dabei auf Kosten und zu Lasten anderer, leben unseren Wohlstand, während wir diesen anderen vorenthalten. Zweitens muss Externalisierung als strukturelle Dimension betrachtet werden und ist keine neuartige zeitdiagnostische Formel. Ergänzt werden kann diese Erläuterung drittens mit dem Querverweis auf das Konzept der imperialen Lebensweise. Der Staudammbruch von Brumadinho zeigt dabei viertens nicht nur die verheerenden Folgen des Externalisierens auf. Der Fall veranschaulicht außerdem, dass auch im Nachgang der Katastrophe die globale Ungleichheitskonstellation möglichst unsichtbar bleiben soll. Das geplante EU-Lieferkettengesetz könnte eine mögliche Verbesserung der weltweiten Produktionsbedingungen sein, wenn sich Unternehmen nicht wieder durch „Safe-Harbour-Klauseln“ der Verantwortung entziehen können.

„Die Wahrscheinlichkeit, dass auch in deutschen Autos Erze aus Brumadinho stecken, ist hoch“ (Deutschlandfunk Kultur 2021). An eben jenen elektrischen oder hybriden Autos, die wir mit unserem umweltpolitischen Engagement und dem auffällig zur Schau gestellten Umweltbewusstsein so begehren, klebt das Blut und Leid der Opfer der Katastrophe. Dies jedoch verschweigen wir, wie auch die zahlreichen Berichterstattungen über solche Katastrophen. Berichtet wird über die tragische Verseuchung der Flüsse wie den Rio Doce, ohne unsere Rolle im Verursachungszusammenhang zu betonen. Mit dem Reinwaschen der Flüsse nach einer gewissen Zeit scheint von der einstigen Katastrophe oberflächlich nicht mehr viel übrig zu sein und es wird vergessen, zur Tagesordnung übergegangen – ganz im Sinne der Externalisierungsgesellschaft, damit es weiterhin heißen kann: „Unser Wohlstand, euer Schlamm“ (Deutschlandfunk Kultur 2021).

Gedenken an die Opfer der Katastrophe, Bild: Cristiane Mattos / Reuters

Literaturverzeichnis

Deutschlandfunk Kultur (2021): Unser Wohlstand, euer Schlamm. Dammbruch in Brasilien. Online abrufbar unter https://www.deutschlandfunkkultur.de/dammbruch-in-brasilien-unser-wohlstand-euer-schlamm-100.html (10.11.2022).

Europäische Kommission (2022): Gerechte und nachhaltige Wirtschaft: Kommission legt Unternehmensregeln für Achtung der Menschenrechte und der Umwelt in globalen Wertschöpfungsketten fest. Online abrufbar unter https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22_1145 (08.11.2022).

Galeano, Eduardo (1973): Die offenen Adern Lateinamerikas. Die Geschichte eines Kontinents von der Entdeckung bis zur Gegenwart. Wuppertal: Hammer.

Kaufmann, Stephan / Müller, Tadzio (2009): Grüner Kapitalismus. Krise, Klimawandel und kein Ende des Wachstums. Berlin: Karl Dietz Verlag.

Lessenich, Stephan (2016): Neben uns die Sintflut. Die Externalisierungsgesellschaft und ihr Preis. Berlin: Hanser Verlag.

Lessenich, Stephan (2018): Grenzen der Ausbeutung? Wie der globale Norden über die Verhältnisse des Südens lebt. In: Becker, Maximilian / Reinicke, Mathilda (Hg.): Anders wachsen! Von der Krise der kapitalistischen Wachstumsgesellschaft und Ansätzen einer Transformation. München: oekom, S. 21–42.

Russau, Christian (2016): Abstauben in Brasilien. Deutsche Konzerne im Zwielicht. Hamburg: VSA Verlag.

Wissen, Markus / Brand, Ulrich (2017): Imperiale Lebensweise. Zur Ausbeutung von Mensch und Natur im globalen Kapitalismus. München: oekom.

Wissen, Markus / Brand, Ulrich (2018): Imperiale Lebensweise. Zum Gebrauchswert eines Konzepts. In Becker, Maximilian / Reinicke, Matilda (Hg.): Anders wachsen! Von der Krise der kapitalistischen Wachstumsgesellschaft und Ansätzen einer Transformation. München: oekom, S.43–56.


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