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Migrant Care Workers in Deutschland: Zwischen Zwang und Eigensinnigkeit. Ein Essay von Amelie Brockhaus.

Schon seit den 1970er Jahren ist in Deutschland medial immer wieder von einem Pflegenotstand zu hören. Diesem wird insbesondere mit überwiegend weiblichen Personen aus dem Ausland besetzt (Vatareck, 2021). Dazu zählen auch die etwa die 400 000 Tausend Pflegerinnen aus Polen, von denen etwa die Hälfte illegal beschäftigt ist (Lutz 2018, S.29) und deren persönliche Bestrebungen zur Aufnahme der Tätigkeit im Folgenden näher betrachtet werden sollen. Als Arbeitsmigrant*innen nehmen viele von ihnen einen Job aufgrund unzureichender Einkünfte im Herkunftsland an und geraten so in ausbeuterische Kontexte. Unter Arbeitsmigration wird dabei die Transition des persönlichen geographischen Raums verstanden (Kniejska 2016, S. 29). Das Individuum erhofft sich durch die dortige Berufsaufnahme ein höheres finanzielles Einkommen, um sowohl die persönliche als auch die familiäre Lebenslage zu verbessern. Transnationale Migration zeichnet sich zusätzlich durch den Faktor aus, dass Personen ihren Lebensmittelpunkt nicht dauerhaft verlassen, sondern nur für die Arbeit (Grochowska 2011, S. 24f). Es kann im Alltag also zu einer täglichen Grenzüberquerung zur Aufnahme einer Arbeitsstelle im Ausland kommen. Auch der Verbleib über mehrere Monate und Wochen fällt hierunter, wird aber durch den Terminus Pendel- oder Schaukelmigration ergänzt (Kniejska 2016, S. 30).

Eine Auslegung der transnationalen Arbeitsmigration von Polinnen in ein anderes Land aufgrund rein ökonomischer Zwänge würden die Beweggründe des Individuums zur Aufnahme der Pflegearbeit jedoch zu kurz fassen. Aus diesem Grund soll als Grundlage auf Georgi (2016) Bezug genommen werden, welcher im Artikel „Widersprüche im langen Sommer der Migration“ auf Widerstand und Eigensinnigkeit von Geflüchteten eingeht und diese als Ausweg sieht, sich u.a. kapitalistischen Strukturen und Grenzregimen zu widersetzten (Georgi 2016, S. 193). An diese Arbeit anknüpfend soll nachfolgend am Beispiel von weiblichen polnischen Pflegekräften die These untermauert werden, dass Arbeitsmigrant*innen trotz ökonomischer Zwänge ihrer Situation nicht rein passiv ausgesetzt sind, sondern in dieser auch aktiv mit Eigensinn agieren. Dieses Essay möchte damit nicht unterschlagen, dass es im Arbeitskontext der Pflege zu vermehrter Ausbeutung und Menschenrechtsverletzung auf Seiten der Pfleger*innen kommt; die Beleuchtung dieser wichtigen Aspekte ist im Rahmen dieses Essay jedoch nicht leistbar.Zu Beginn erfolgt eine Erläuterung der ökonomischen Zwänge, denen die polnischen Migrant Care Workers am Beispiel der Pflege in Deutschland ausgesetzt sind. Dem gegenüber wird der Aspekt der aktiven „Eigensinnigkeit“ ihrer Tätigkeit gestellt. Abschließenden erfolgt ein Fazit, welches die persönlichen Motive der polnischen Arbeiter*innen hervorhebt und Anstöße zur Umstrukturierung des Pflegesektors gibt.

Ökonomische Zwänge

Ohne ökonomische Zwänge ist Migration nicht zu verstehen, gleichzeitig geht Migration nicht allein ökonomischen Zwängen auf. Wie die Begriffsdefinition zur transnationalen Arbeitsmigration verdeutlicht, erfolgt jene u.a. aus dem Bestreben nach einer Verbesserung des eigenen Lebensstandards heraus. Dies kann mitunter durch unterschiedliche Lohn- und Wohlstandsniveaus in den Herkunfts- und Zielländern begründet sein. Das Individuum kann den Druck der unzureichenden Einkünfte durch eine Arbeitssuche im Ausland ausgleichen. Diese gravierenden Unterschiede werden auch zwischen Polen und Deutschland deutlich: Der durchschnittliche Bruttomonatsverdienst von Vollzeitbeschäftigten lag in Polen im Jahr 2018 bei € 1.116, in Vergleich dazu in Deutschland bei € 3.715 (Eurostat, 14. Oktober 2021).

Die Aufnahme der Pflegetätigkeit in Deutschland erfolgt jedoch in ca. der Hälfte aller Fälle, also in ca. 200.000 Fällen, in illegalen Kontexten (Lutz 2018, S. 29). Die Illegalität der Migrant Care Worker fördert dabei die Gefahr von Ausbeutung und Diskriminierung. Insbesondere in den „Live-In“-Arbeitskontexten sind sie Abhängigkeitsmechanismen ausgesetzt, die vorab für das Individuum nicht gänzlich einzusehen sind. In „Live-in“-Kontexten leben Migrant Care Workers bei der zu pflegenden Person im Haushalt und sind so rund um die Uhr als Arbeitskraft verfügbar. Die Grenzen zwischen Freizeit und Arbeit verschwimmen, sofern sie nicht vollkommen aufgehoben werden. Die Pflegekraft befindet sich in einem Raum, in dem Arbeits- und Grundrechte missachtet und ökonomische Abhängigkeitsverhältnisse geschaffen werden (Haubner 2017 , S.372). Aufgrund ihres zumeist illegalen Beschäftigungsverhältnisses ist ihre Möglichkeit, sich dagegen zu wehren, begrenzt (ebd., S. 373).

Ein weiterer ökonomischer Faktor, der die Migrant Care Workers in ihren schlechten Arbeitsbedingungen halten kann, ist, dass durch den Abbruch der Tätigkeit die Einnahmequelle wegfallen würde, was mit einem Scheitern der angestrebten Eigenständigkeit kollidieren würde. Der Anspruch sich im Ausland zu verwirklichen könnte so bei einer Rückkehr scheitern.

Diese Ausführungen zeigen auf, dass neoklassische Migrationstheorien mit einem Fokus auf rational choice die Arbeitsmigration als rationale und freie Entscheidung darstellen und damit die multiplen Ausbeutungsmechanismen und ökonomischen Zwänge verkennen.

Eigensinnigkeit

Die Migration der polnischen Arbeitskräfte sollte sich dabei jedoch nicht allein auf ökonomische Zwänge reduziert werden, denn damit würden weitere Motive der Individuen zur transnationalen Arbeitsmigration, die nicht rein wirtschaftlicher Natur sind, unterschlagen werden.

Die Entscheidung, sich nicht mit den Gegebenheiten im Heimatland zufrieden zu geben und sich aktiv für eine Arbeit im Ausland mit einer besseren Entlohnung zu entscheiden, kann auch als eine Möglichkeit zur eigenen Ermächtigung und Widerstand ausgelegt werden. In einem kapitalistischen System mit Arbeitskampf ist es für das Individuum vom Vorteil, sich aktiv für eine Arbeitsstelle zu entscheiden, die einen größeren Gewinn verspricht als diejenige, die im Heimatland geboten sind. Für viele Frauen in Polen sind die Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt eingeschränkt, auch für Personen mit einer höheren Bildung ist es schwierig, eine Anstellung mit ausreichender Entlohnung zu finden (Lutz 2018, S. 25f). Die Aufnahme einer Pflegetätigkeit in Deutschland ermöglicht dem Migrant Care Worker statt Perspektivlosigkeit in der Herkunftsregion die Chance, eine finanzielle Einnahmequelle zu schaffen, mit der die eigene Familie unterstützt werden kann. Dies fördert die Verbesserung insbesondere dann, wenn es für Gesundheit und Bildung genutzt wird, in denen der Staat unzureichend unterstützt. Ein Motiv kann hierbei sein, den eigenen Kindern eine bessere Zukunft als die eigene zu ermöglichen. Darüber hinaus kann die Arbeitsmigration auch als Form der Selbstständigkeit bewertet werden, sich aktiv selbst um eine Beschäftigungsmöglichkeit zu kümmern und das eigene Streben nach einem besseren Leben zu verwirklichen. Denn schließlich sei Migration per se als Weg zu betrachten, das eigenen Überleben zu gewährleisten, in Folge dessen es zu spezifischen Organisationspraxen kommt (Bojadžijev & Karakayali: 2007b, S. 204), sich also u.a. durch das Übertreten von Grenzen sich einen Weg aus Suppression und Ausbeutung zu suchen (ebd., S. 203).

Frauen werden in Polen weiterhin als tragende Unterstützung in der Care-Arbeit gesehen, ob in der Erziehung der eigenen Kinder oder der Pflege von Angehörigen. Durch die Aufnahme von Arbeitstätigkeiten im Ausland werden Kinder dieser Arbeitsmigrantinnen in der Umgangssprache zu „Euro-Waisen“ degradiert, obwohl die Kinder weiterhin einen Elternteil haben. Trotzdem verbleibt die Kritik meist auf Seiten der Frauen (Lutz 2018, S. 71).

Die transnationale Arbeitsmigration schafft also eine Möglichkeit zur Selbstermächtigung für das weibliche Individuum. Denn neben der Möglichkeit zur finanziellen Unterstützung für die Familie kann das Einkommen auch genutzt werden, um sich selbst aus Abhängigkeitsverhältnissen physischer oder psychischer Form, bspw. durch den eigenen Ehemann, zu befreien. Darüber hinaus kann durch die zusätzliche Einnahmequelle die Gefahr von Altersarmut gesenkt werden. Frauen sind weiterhin dem erhöhten Risiko von Altersarmut ausgesetzt, da die Care-Arbeit für Kinder und Haushalt oft ihnen zugeschrieben wird und dadurch der eigene Erwerb sinkt, was sich später negativ auf die Rente auswirkt (Kniejska 2016, S. 78). Wie das Zitat einer Polin bezüglich ihrer Tätigkeit als Migrant Care Worker in Deutschland verdeutlicht, kann die Arbeit die eigene Emanzipation bestärken und damit auch einen positiven Einfluss auf das eigene Selbstbewusstsein haben:

„Ich sage so… Als ich in Rente ging… Eine Lücke… Langeweile… Das ist das Eine. Zweite Sache: ein bisschen Geld verdienen. Und außerdem eine Sache noch. Weil mein Mann ständig sagte, dass ich ohne ihn nichts erreiche. Ich habe bewiesen, dass ich in einem fremden Land ohne Sprachkenntnisse… Ich konnte nur ‚Bitte‘ ‚Danke‘ ‚Entschuldigung‘ ‚Auf Wiedersehen‘ ‚Essen‘ ‚Trinken‘… Solche alltägliche Wörter nur und ich habe mich einfach entschieden [zur Pflege nach Deutschland zu fahren]…“

(Kniejska 2016, S. 160)

Durch die historische Erfahrung des Sozialismus hat die Erwerbsarbeit einen hohen Stellenwert für polnische Frauen (Lutz & Palenga-Möllenbeck, S. 223). Gleichzeitig war es nicht immer möglich, den Beruf zu erlernen, der sich gewünscht wurde. Insbesondere in der Pflege war dies mit einem Studium (Kniejska 2016, S. 155) und damit sehr wahrscheinlich mit zu hohen Kosten verbunden gewesen. Durch den schnellen Einstieg in die Pflegetätigkeit in Deutschland ist für viele Frauen damit die Möglichkeit gegeben, dem eigenen Berufswunsch folgen und sich selbst verwirklichen zu können, wie die Aussage von Agnieszka zeigt:

„Ja ich kann keine Krankenschwester werden, weil wie man so sagt, ist es schon ein bisschen spät für irgendwelches Studium und der Mensch ist auch so dumm und faul. Also ich wollte mich alternativ selbst verwirklichen. Ich dachte: nein, ich fahre einfach zur Arbeit in der Altenpflege und die Leute haben mich wirklich gemocht und gelobt.“ 

(Kniejska 2016, S. 155)

Durch die Aufnahme der Arbeit in Deutschland erfolgt eine positive Selbstaufwertung, es kann ein persönliches Erfolgserlebnis vorgewiesen werden.

Auch die Entscheidung zur transnationalen Migration per se kann als Eigensinnigkeit und einer Form sozialer Bewegung interpretiert werden, sich den Bedingungen in der Herkunftsregion nicht passiv zu ergeben. „Migration kann zwar mit Repression begegnet werden, die Rückkehr von Migranten_innen kann ‚gefördert‘ werden, aber die Bewegungen sind nicht vollständig kontrollierbar – ja, man könnte sogar sagen, es ist ihre Bedingung, es nicht zu sein“ (Bojadžijev & Liebelt 2014, S. 342). Dieser Gedanke lässt sich auch auf die Migrant Care Workers aus Polen übertragen. Die Schattenwirtschaft der Pflegekräfte ist bereits jetzt stark organisiert und würde sich auch bei verstärkter Kontrolle voraussichtlich weiterhin organisieren können. Dies ist eine weitere Möglichkeit, sich ökonomischen und politischen Zwängen, weder in der Herkunftsregion noch im Arbeitsland, nicht passiv zu ergeben. Hierfür spricht zusätzlich, dass sich durch die Pendelmigration zwischen dem Herkunfts- und Arbeitsland eigene soziale Netzwerke mit Personen aus der Heimat schaffen, in denen sich ausgetauscht und organisiert werden kann. Diese Netzwerke können darüber hinaus einen Ort der gegenseitigen Unterstützung darstellen, da sich die Personen einen kulturellen und ähnlichen sozioökonomischen Hintergrund teilen. Die Kommunikation untereinander kann bspw. für eine Weitervermittlung an eine andere Arbeitsstelle genutzt werden (Kniejska 2016, S. 87). Durch den Austausch ergibt sich für die Individuen ein niedrigeres Gefahrenrisiko (ebd., S.63), was die Individuen in ihrer Entscheidung zur Aufnahme der Pflegetätigkeit im Ausland bestärken kann.

Fazit

Abschließend lässt sich festhalten, dass die Gedanken Georgis (2016) sich ebenfalls auf den Kontext von polnischen Migrant Care Workers in Deutschland übertragen lassen. Die transnationale Arbeitsmigration ist nicht rein mit ökonomischen Zwängen und rational choice der neoklassischen Migrationstheorien zu erklären. Es bedarf der Hinzunahme von persönlichen Motiven wie Emanzipationsbestrebungen und dem Verständnis, dass es sich um aktiven Widerstand im Arbeitskampf gegen kapitalistische Ausbeutung handelt.

Aus humangeographischer Perspektive ergeben sich aus diesem Themenkomplex wichtige Anstöße. Durch die Aufnahme der Pflegearbeit im Ausland fällt zeitgleich die Arbeitskraft im eigenen Heimatland weg, sodass es in Polen, wie bereits in Deutschland, auch zum Pflegeengpass (privat und in staatlichen Einrichtungen) kommen kann. Polen profitiert also nur kurzfristig vom zusätzlichen Wirtschaftseinkommen. Es bedarf also einer strukturellen Umgestaltung des Pflegesektors in Deutschland, wie auch in Polen, um eine nachhaltige Pflege zu schaffen, die nicht auf personeller Unterbesetzung und finanzieller Ausbeutung basiert.

Bild: LMoonlight/pixabay.com, CC0

Literatur

Bojadžijev, M. & Liebelt, C. (2014). Cosmopolitics, oder: Migration als soziale Bewegung: Von Bürgerschaft und Kosmopolitismus im globalen Arbeitsmarkt. In: Nieswand, B., Drotbohm, H. (Hrsg.). Kultur, Gesellschaft, Migration. Studien zur Migrations- und Integrationspolitik. Springer VS, Wiesbaden. DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-03626-3_13.

Bojadžijev, M. & Karakayali, S. (2007b). Autonomie der Migration. 10 Thesen zu einer Methode. Kultur und soziale Praxis, 203–210. DOI: https://doi.org/10.14361/9783839407813-011.

Eurostat. (14. Oktober, 2021). Durchschnittlicher Bruttomonatsverdienst von Vollzeitbeschäftigten¹ in den Ländern der Europäischen Union (EU) im Jahr 2018 [Graph]. In Statista. Online: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/183571/umfrage/bruttomonatsverdienst-in-der-eu/ (10.02.2023).

Georgi, F. (2016). Widersprüche im langen Sommer der Migration. In: PROKLA. Zeitschrift für kritische Sozialwissenschaft46(183), 183–203. DOI: https://doi.org/10.32387/prokla.v46i183.108.

Grochowska, M. (2011). Ökonomische, soziale und räumliche Folgen der saisonalen Arbeitsmigration im Herkunftsgebiet: am Beispiel der Region Konin (Polen) (Potsdamer geographische Forschungen). Universitätsverlag Potsdam.

Haubner, T. (2017). Die Ausbeutung der sorgenden Gemeinschaft: Laienpflege in Deutschland. Campus Verlag.

Kniejska, P. (2016). Migrant Care Workers aus Polen in der häuslichen Pflege: Zwischen familiärer Nähe und beruflicher Distanz. Springer Publishing.

Lutz, H. (2018). Die Hinterbühne der Care-Arbeit: Transnationale Perspektiven auf Care-Migration im geteilten Europa (Arbeitsgesellschaft im Wandel). Beltz Juventa.

Lutz, H. & Palenga-Möllenbeck, E. (2014). Care-Migrantinnen im geteilten Europa – Verbindungen und Widersprüche in einem transnationalen Raum. Sorge: Arbeit, Verhältnisse, Regime, 221–238. DOI: https://doi.org/10.5771/9783845255545_221.

Vatareck, E. (2021, 25. August). Pflegenotstand. Pflegebox.de. Online: https://pflegebox.de/ratgeber/pflege/pflegenotstand-ursache-und-massnahmen/ (14.02.2023).

Zitat von Leo Tolstoi zum Thema Herz. (o. D.). Aphorismen.de. Online: https://www.aphorismen.de/zitat/15590.

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